NEU IN KINO & STREAMING: WELCHE FILME SICH LOHNEN - UND WELCHE NICHT

Ryan Gosling und Emily Blunt spielen ein zankendes Paar in der Actionkomödie "The Fall Guy". Und Netflix probiert sich an einem Biopic über Gianna Nannini. Die Starts der Woche in Kürze.

Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Als du mich sahst

Susan Vahabzadeh: Den Vergleich mit "Notting Hill", der Königin aller Romcoms, hat sich Michael Showalter selbst eingehandelt - Normalo trifft auf Superstar, und als das nicht funktioniert, steht plötzlich ein verpacktes Gemälde im Flur. Weil die Geschichte aber ansonsten so schön auf den Kopf gestellt ist und Anne Hathaway als Hauptdarstellerin wirklich gut funktioniert mit ihrem dauerverletzten Rehblick, hält diese "Notting Hill"-Variante den Vergleich einigermaßen würdevoll aus. Die 40-jährige Solène (Hathaway) begleitet ihre Teenager-Tochter nach Coachella, weil ihr Ex-Mann das wieder mal angezettelt, aber nicht hinbekommen hat. Beim Festival verliebt sich Hayes (Nicholas Galitzine), der Star einer Boyband, ungefähr halb so alt, rettungslos in sie. Realistisch ist daran höchstens der Internet-Shitstorm, den Solène dann abbekommt. Aber Realismus hat im Romcom-Märchenreich ja auch gar nichts verloren. Der Film ist jedenfalls besser, als der deutsche Schmonz-Titel "Als du mich sahst" vermuten lässt (Amazon Prime).

Der Junge, dem die Welt gehört

Cornelius Pollmer: Schon als Musiker und Autor dachte Robert Gwisdek um unzählige Ecken im Dienste seines philosophischen Extremversuchs, die Quadratur sämtlicher Kreise des Universums zu bewerkstelligen. Sein Kinodebüt "Der Junge, dem die Welt gehört" (mit Corinna Harfouch und dem Musiker "Faber") ist die logische Verlängerung dieser Zusammenhangsforschung - und nicht weniger als ein so anstrengendes wie funkelndes Wunder, ein selbst Kunstwerk seiender Kunstfilm. Kaum zu begreifen, noch weniger zu beschreiben. Ein Film, den man sehr empfehlen möchte trotz der starken Ahnung, dass nicht alle ihn mögen werden.

Die schöne Rebellin

Carolin Gasteiger: Ihre wahre Geburt soll 1983 gewesen sein. Auch wenn sie in diesem Jahr 70 wird. Der Netflix-Film "Die schöne Rebellin" schildert die ersten dreißig Jahre im Leben von Gianna Nannini, einer der berühmtesten italienischen Sängerinnen, bis zu dem Moment des Zusammenbruchs. Cinzia Th. Torrini hakt auf dem Weg zu diesem Moment pflichtbewusst wichtige Etappen im Leben Nanninis ab, besonders in die Tiefe geht sie dabei jedoch nicht. Auch wenn Letizia Toni als Gianna Nannini beeindruckt, ist der Film, an dessen Drehbuch Nannini selbst mitgearbeitet hat, nicht mehr als ein Marketing-Puzzle im Gianna-Nannini-Jahr. Wen das nicht stört, der kann sich an Italopop-Hits und Vokuhilas erfreuen. (Netflix)

Holy Island

Sofia Glasl: Fegefeuer, Traum oder kafkaeske Parabel? Der irische Filmemacher Robert Manson lässt offen, welche Bedeutung die karge Atlantikinsel hat, auf der er seinen Protagonisten David stranden lässt. Der hat die letzte Fähre aufs Festland verpasst und muss nun an diesem metaphysisch bevölkerten Ort eine Nacht totschlagen, um zu sich selbst zu finden. Ein Taxifahrer will ihm die Richtung weisen, eine junge Frau sucht nach Hinweisen auf Spielkarten und David wird im sonst körnigen Schwarzweiß dieser Welt von Flashbacks in buntem Super 8 heimgesucht. Diesen aufeinander getürmten Ideen glaubt man Mansons ehrliche Liebe zum Kino von Ingmar Bergman bis Aki Kaurismäki, auch wenn sie ihm in dieser assoziativen Dichte etwas verkopft geraten.

Im Land der Wölfe

Josef Grübl: Sie kommen nah, näher, am nächsten: In diesem Dokumentarfilm streifen Wölfe durch Wälder und Weiden, sie laufen über Straßen und durch Gewerbegebiete. Einmal schnuppern sie sogar an einer laufenden Kamera. Ralf Bücheler erzählt von der Rückkehr eines Wildtiers, das hierzulande lange Zeit als ausgerottet galt. Dabei lässt er Naturschützer, Schafhirten, Wissenschaftlerinnen oder Wahlkämpfer zu Wort kommen. Doch die Stimmung ist aufgeheizt, das Thema ein Politikum. Umso besser, dass hier jemand in bester Direct-Cinema-Tradition ganz nah rangeht, hinschaut - und nicht kommentiert.

Knock Knock Knock

Fritz Göttler: Düsternis überall, in der Schule wird Peter gemobbt, und im Unterricht lesen sie ausgerechnet den "Raven" von Poe. Eine Spinne krabbelt auf dem Pult herum, aus der Wand des Kinderzimmers daheim kommen Klopfgeräusche, die Stimme eines unbekannten Wesens, das dort eingesperrt ist: Peter will es sehen, unbedingt. "Cobweb" heißt der Film von Samuel Bodin im Original, ein dichter, dunkler Halloween-Thriller - zu den Produzenten gehören Seth Rogen und Evan Goldberg -, der ohne jenseitigen Schrecken und Teufelsspuk auskommt, sein Horror entsteht voll in der Familie, wo Gut und Böse verschwimmen. Manchmal, erklärt der Vater dem Sohn Peter, muss man schwierige Entscheidungen treffen, um seine Familie zu beschützen.

The Fall Guy

Anke Sterneborg: Daumen hoch, egal, wie zerschmettert die Knochen sind, denn niemand will einen Stuntman, der auf die Frage, ob alles okay sei, die Wahrheit sagt. Lose angelehnt an die Achtzigerjahre-Serie "Ein Colt für alle Fälle", (im Original "The Fall Guy") hat der Ex-Stuntman und Regisseur David Leitch eine Liebeserklärung an die eigene Zunft gedreht, ein völlig überdrehtes Best-of-Showreel der waghalsigsten Stunt-Akrobatik auf den Straßen, in der Luft und zu Wasser, weitgehend ohne Computertricks, ehrlich analog gedreht. Geerdet wird der Aberwitz durch das selbstironisch agierende Barbenheimer-Duo Ryan Gosling und Emily Blunt, die hier echte Screwball-Funken zünden.

Touched

Fritz Göttler: Er ist tot, sagt Alex von seinem Penis, ein toter Stumpf. Alex ist vom Hals abwärts gelähmt, lebt in einem Heim, dessen Pastellfarben - viel Rosa, Hellblau, Gelb - suggerieren sollen, das Leben ist schön, trotz allem. Dann wird Maria seine Pflegerin, extrem übergewichtig, aber mit bedächtigen Bewegungen, ganz sanft massiert sie Körperteile von Alex. Eines Morgens wird sie im Bett des Patienten erwischt. Ísold Halldórudóttir ist wundervoll als Maria, sie hat ein engelhaftes Strahlen im Gesicht und tänzelt, trotz der Fleischmassen, in einer herrlichen Schwerelosigkeit. Einmal, gegen Ende, meint man für den Bruchteil einer Sekunde, sie hätte wirklich Flügel, aber da hat der Film von Claudia Rorarius schon umgeschlagen, haben sich Frust und Verzweiflung, Geheimniskrämerei und Grausamkeit ins Spiel geschlichen.

Zwischen uns das Leben

Josef Grübl: Ein Wellnesshotel an der französischen Atlantikküste. Er hat das "Entspannungspaket plus" gebucht, sie wohnt ganz in der Nähe. Vor 15 Jahren waren sie ein Paar, seitdem haben sie sich nicht mehr gesehen. Es gibt also viel aufzuarbeiten zwischen dem Schauspielstar und der Klavierlehrerin, die Ängste, den Ärger, den unguten Abschied. Stéphane Brizé erzählt das unaufgeregt und mit leisem Humor, den Rest erledigen seine Stars Guillaume Canet und Alba Rohrwacher. Die beiden harmonieren perfekt als ehemaliges Liebespaar, das vielleicht mehr verbindet als nur die Vergangenheit.

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